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24.10.2025

Equal Pay: Anspruch auf Entgeltdifferenz kann sich an Spitzenverdiener orientieren

Männer und Frauen haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt. Klagt eine Arbeitnehmerin auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Kann der Arbeitgeber die aus einem solchen Paarvergleich folgende Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen, ist er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) gibt das die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor.

Eine Arbeitnehmerin begehrt von ihrer Arbeitgeberin hinsichtlich mehrerer Entgeltbestandteile rückwirkend die finanzielle Gleichstellung mit bestimmten männlichen Vergleichspersonen. Zur Begründung ihrer Ansprüche hat sie sich auf Angaben der Arbeitgeberin in einem so genannten Dashboard gestützt, das im Intranet der Erteilung von Auskünften im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes dient. Das Einkommen der von der Frau zum Vergleich herangezogenen Kollegen liegt über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin meint, dass die zum Vergleich herangezogenen Kollegen nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Klägerin verrichten. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe auf Leistungsmängeln der Arbeitnehmerin. Aus diesem Grund werde sie auch schlechter bezahlt als die weibliche Vergleichsgruppe (im Durchschnitt).

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die – auf einen Ausgleich der Entgeltdifferenz zu den benannten Vergleichspersonen gerichteten – Hauptanträge abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin könne sich für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung und damit kein Indiz für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung im Sinne des § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Klägerin habe aber hinsichtlich einzelner Vergütungsbestandteile einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe.

Das BAG hat das Urteil des LAG teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Über die auf einen Paarvergleich gestützten Hauptanträge könne noch nicht abschließend entschieden werden. Entgegen der Annahme des LAG bedürfe es bei einer Entgeltgleichheitsklage keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Ein solches Erfordernis wäre mit den Vorgaben des primären Unionsrechts unvereinbar.

Für die – vom Arbeitgeber zu widerlegende – Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts genüge es, wenn die klagende Arbeitnehmerin darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt zahlt. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen sei für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung.

Die Klägerin habe – unter Verweis auf die Angaben im Dashboard – in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten lassen. Das LAG müsse nun prüfen, ob die Arbeitgeberin diese Vermutung – ungeachtet der Intransparenz ihres Entgeltsystems – widerlegt hat. Beide Parteien dürften ihren Sachvortrag noch ergänzen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2025, 8 AZR 300/24